„Witzig und kontrovers, aber immer aufmerksamkeitsstark“, so beschreibt sich ÖMG-Vorstandsmitglied Manfred Gansterer. Als jahrelanger Experte  im Bereich Bestandskundenmanagement hat er in seiner typischen lockeren Art einen Vortrag dazu gegeben, und uns die Highlights in einem Interview zusammen gefasst.

Frage: Du warst gerade als  Vortragender bei einem Seminar zum Thema Bestandskundenmanagement. Was war dein Beitrag?

Gansterer: Ich habe meine Erfahrungen mit Bestandskundenmanagement aus meinen 27 Jahren Tätigkeit im Retail mit den Seminarteilnehmern geteilt. Es war teilweise eine Fuckup-Story, weil ich lange Zeit kein Bestandskundenmanagement gemacht habe. Der Vorteil des Late-Adopters ist, dass man dann aus den Fehlern, die andere schon gemacht haben, lernen kann und gleich ein modernes Kundenbindungsprogramm mit Verhaltensdaten aufsetzen kann.

Frage: Was waren die wichtigsten Erkenntnisse für die Teilnehmer?

Gansterer: Das Kundenverhalten hat sich in den letzten Jahren massiv geändert, die Ansprüche sind explodiert. Die Silicon-Valley Giganten setzen die Maßstäbe, die Kunden auch von kleinen und mittelständischen lokalen Unternehmen erwarten. Warum sind Google, Amazon und Co. so riesig geworden? Weil sie alles über ihre Kunden wissen und ihnen dementsprechend eine exzellente Customer Experience bieten. Im Seminar wurde erarbeitet, welche Customer Relationship Management Maßnahmen für die Teilnehmer sinnvoll sind, welche Kundendaten vorhanden sind, welche Touchpoints und sinnvollen Kommunikationsanlässe vorhanden sind, welche Maßnahme wann im Customer Lifecycle sinnvoll ist und wie Bestandskundenmanagement automatisiert werden kann.

Frage: Du warst 17 Jahre bei MediaMarktSaturn und 10 Jahre bei C&A, warum sind gute Bestandskundenprogramme im Handel so selten?

Gansterer: Kundenbindungsprogramme im Handel sind oft reine Rabattprogramme, diese machen nur in Branchen Sinn, wo es einen täglichen oder wöchentlichen Bedarfskauf gibt. In vielen Handelssparten sind die Handelsspannen zu niedrig, um für den Kunden relevante und spürbare Vorteile darstellen zu können. In Branchen mit langlebigen Investitionsgütern macht die Kaufhistorie wenig Sinn. Über einen Kunden, der sich gerade einen Kühlschrank gekauft hat, weiß der Händler nur eines mit Sicherheit: dass er sich die nächsten 6 – 8 Jahre nicht für das Thema Kühlschrank interessiert und jede Kommunikation zu diesem Thema als Belästigung empfindet. Auch das Cross-Selling Potential ist in diesem Fall enden wollend.

„Der Schlüssel für ein wirkungsvolles Kundenbindungsprogramm ist Relevanz,
und sicher nicht Rabatt.“

Frage: Was ist aus deiner Sicht das Unternehmen mit dem besten Kundenbindungsprogramm der Welt und warum?

Gansterer: Aus meiner Sicht ist Amazon Prime das wirkungsvollste Kundenbindungsprogramm weltweit. Kunden zahlen (!) 69,- dafür, um Mitglied sein zu dürfen. Dafür wickeln Prime Kunden mehr als 80 % der Online Einkäufe im Amazon Ökosystem ab und sind für die Online Shops anderer Retailer verloren. Die zahlreichen Vorteile (Gratis Premium Versand, Filme, Serien, Musik, Drive, Fotos, Prime Day,…) werden vom Kunden als relevant wahrgenommen und stark genutzt, auch um die Jahresgebühr wieder „reinzubekommen“. Zusätzlich nutzt Amazon seine gigantische Datenbank mit der Kaufhistorie seiner Kunden, um relevante maßgeschneiderte Angebote zu machen, bei denen die Kaufwahrscheinlichkeit hoch ist

Frage: Welche Faktoren macht ein erfolgreiches modernes Kundenbindungsprogramm aus?

Gansterer: Grundsätzlich macht es Sinn, Kundenloyalität aufzubauen. Wiederkehrende Kunden kaufen mehr und verhandeln weniger beim Preis, das heißt Stammkunden bringen mehr Umsatz und mehr Ertrag. Der Schlüssel für ein wirkungsvolles Kundenbindungsprogramm ist Relevanz, und sicher nicht Rabatt (Ausnahme häufig wiederkehrender Bedarfskauf).

Daher braucht ein modernes Kundenbindungsprogramm einen datengetriebenen und automatisierten Ansatz, damit die Benefits und Angebote auf jeden Kunden einzeln auf Basis seines Kauf- und (noch wichtiger) Rechercheverhaltens im Kaufentscheidungsprozess abgestimmt werden können. Der Händler muss wissen, wie lange eine durchschnittliche Customer Journey pro Produktkategorie dauert, weil es nervt, wenn uns Wochen nach einem Kauf noch Angebote zum gekauften Produkt verfolgen. Die Angebote können dabei auf unterschiedlichen digitalen Kanälen ausgespielt werden: eigene Website (mit verhaltensgesteuerter Ausspielung von individuellen Angeboten), Google Ads, Social ads auf Instagram und facebook oder im B2B Bereich auf LinkedIn, auch das oft totgesagte e-mail-Marketing funktioniert noch sehr gut, wenn relevanter Content versendet wird.